Googles Datenschutzerklärung: Arbeit an einer neuen Öffentlichkeit

Google hat seine Datenschutzerklärung angepasst. Die neue Version, die am 1. Juli 2023 in Kraft getreten ist, enthält folgenden Passus: „Beispielsweise erheben wir Daten, die online oder in anderen öffentlichen Quellen verfügbar sind, um die KI-Modelle von Google zu trainieren“. Thomas Germain merkt auf Gizmodo dazu treffend an:

„This is an unusual clause for a privacy policy. Typically, these policies describe ways that a business uses the information that you post on the company’s own services.“

Mithin lässt sich dieses Vorgehen als eine neue normative Setzung des Begriffs der Öffentlichkeit verstehen. Zwar ist den meisten Menschen wahrscheinlich bewusst, dass sie, wenn sie Informationen im Internet veröffentlichen, diese für andere sichtbar und potenziell nutzbar werden. Fraglich ist jedoch, ob ein Bewusstsein darüber besteht, dass man diese Informationen an Google abtritt. Wie Germain bemerkt, erfordert diese neue Situation „a new mental model of what it means to write something online. It’s no longer a question of who can see the information, but how it could be used.“ Während von uns online veröffentlichte Daten vermutlich von mehr Diensten genutzt werden als wir uns vorstellen können, wurde dies bisher nicht mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein verkündet. Das Vorgehen von Google verrät viel über das Selbstverständnis des Konzerns als Wächter über das Internet und öffentliche Informationen.

Alte Version
(ab dem 15. Dezember 2022)

Neue Version
(ab dem 1. Juli 2023)

„Wir könnten Daten erheben, die online oder in anderen öffentlichen Quellen verfügbar sind, um beispielsweise die Sprachmodelle von Google zu trainieren und Funktionen wie Google Übersetzer zu entwickeln. Wenn Ihre Unternehmensinformationen auf einer Website erscheinen, können wir sie indexieren und in Google-Diensten anzeigen.“ (S. 32, Quelle )

„Beispielsweise erheben wir Daten, die online oder in anderen öffentlichen Quellen verfügbar sind, um die KI-Modelle von Google zu trainieren sowie Produkte und Funktionen wie Google Übersetzer, Bard und Cloud AI weiterzuentwickeln. Wenn Ihre Unternehmensinformationen auf einer Website erscheinen, können wir sie indexieren und in Google-Diensten anzeigen.“ (S. 32, Quelle )

Interessant ist auch der grammatische Aspekt dieser Änderung. Während die englische Version sowohl in der neuen als auch in der vorherigen Fassung die Formulierung „we may collect information that’s publicly available“ (S. 29) verwendet, weist die deutsche Version eine faszinierende Änderung in der Grammatik auf. In der Version von Dezember 2022 verwendet Google, ähnlich dem Englischen, das Modalverb „könnten“, um eine hypothetische Datenerfassung und -verwendung zu beschreiben. Im Gegensatz dazu nutzt die neue Version das Präsens „erheben“, um eine faktische Situation zu schildern.

Außerdem bezieht die aktualisierte Datenschutzerklärung explizit Googles KI-Modelle (zuvor als Sprachmodelle bezeichnet) ein und nennt zwei spezifische Produkte, die davon profitieren: Cloud AI und Bard. Im Gegensatz zur Version von Dezember 2022, die nur den Begriff „Funktionen“ verwendet, nutzt die Version von Juli 2023 den Ausdruck „Produkte und Funktionen“. Dies könnte darauf hinweisen, dass die aktualisierte Version einen stärkeren Fokus auf die kommerziellen Aspekte der Dienste legt.

Die Anpassung der Datenschutzerklärung von Google bietet einen Hinweis, wie sich der Begriff der Öffentlichkeit unter den Produktionsbedingungen von KI wandeln könnte. Googles Änderung erfordert von uns ein neues Verständnis darüber, was es bedeutet, Informationen online zu veröffentlichen. Zudem offenbart die Änderung in der Grammatik und die explizite Erwähnung der KI-Modelle eine stärkere Betonung auf die faktische Datensammlung und die kommerziellen Aspekte der Google-Produkte. Es bleibt abzuwarten, wie diese Änderungen das Verhalten der Internetnutzer und die Regulierung der Datennutzung beeinflussen werden und wie der Konzern mit teil-öffentlichen und privaten Informationen verfahren wird.